Unternehmensgründung

Das Gründerinterview mit Arne Möhle von Tutao: „Wir haben eine starke Community aufgebaut“

Mit E-Mail-Verschlüsselung Geld verdienen – das hat sich das Team der Tutao GmbH vorgenommen. Ein Gespräch mit Gründer Arne Möhle über den Wert einer Community, und warum Idealismus für ihn ein wichtiger Motivationsfaktor ist.

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Das Tutao-Team (Vlnr): Matthias Pfau (Geschäftsführung, Vertrieb) Hanna Bozakov (Marketing, Presse), Bernd Deterding (Entwicklung), Arne Möhle (Geschäftsführung, Entwicklung)

Herr Möhle, sie bieten mit Ihrem Unternehmen, der Tutao GmbH, ein System für die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung an. Diese Technik hat sich, obwohl schon seit langer Zeit verfügbar, bis heute nicht durchgesetzt. „Was hab ich schon zu verbergen?“, ist ein häufiger Spruch, den man zu diesem Thema hört. Hat Ihnen schon einmal jemand gesagt, dass das kein Markt ist?

Nein. Aber dass es kein einfacher Markt ist, war uns bewusst. Allerdings hat sich das Bewusstsein gewandelt. Der Schutz der Privatsphäre ist mit den Enthüllungen von Edward Snowden ein wichtiges Thema geworden. Die Akzeptanz der Technik hat bis jetzt auch darunter gelitten, dass die vorhandenen Lösungen zu kompliziert sind. Mit unserem Produkt Tutanota setzen wir genau hier an.

Wie muss man sich das vorstellen?

Bei Tutanota wird der Austausch von Schlüsseln für die Verschlüsselung automatisiert. Es gibt ein Plugin für Outlook. Unter Tutanota-Nutzern funktioniert das Versenden von verschlüsselten Mails per Knopfdruck, entschlüsselt wird automatisch. Wer das System nicht nutzt, bekommt eine Mail an seinen Account und separat davon ein Passwort mit dem er die verschlüsselte Mail über Tutanota.de abrufen kann.

Wie lange sind Sie mit diesem System auf dem Markt?

Seit Anfang 2014.

Wie lange hat es von der Idee bis zum konkreten Produkt gedauert?

Ungefähr zweieinhalb Jahre. Ein Jahr lang haben wir uns über ein EXIST-Stipendium finanziert über das auch wichtige IT-Infrastruktur finanziert wurde. Das L3S an der Universität Hannover, eines der größten Forschungszentren für Web-Science in Europa, hat uns Büroräume zur Verfügung gestellt. Der Austausch mit den dortigen Forschern war sehr wertvoll. Nach Ablauf des Stipendiums haben wir mit dem Hannover Beteiligungsfonds und der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Niedersachsen zwei Unternehmen gefunden, die uns weiter finanziert haben und auch ein Verständnis für unseren Markt haben.

Zweieinhalb Jahre sind für ein Startup eine lange Zeit. Wie schafft man es, sich über eine solche Zeit zu motivieren und nicht den Glauben an das Produkt zu verlieren?

Da gehört auch guter Teil Idealismus zu. Wir betrachten uns auch ein Stück weit als Freiheitskämpfer für die Privatsphäre. Darüber hinaus haben wir im ständigen Austausch mit Nutzern gestanden. Wir haben früh eine erste Basisversion fertiggestellt und ständig überprüft: Was brauchen unsere Kunden, was nicht? Der Dialog ist sehr wichtig.

Wie machen Sie die Lösung bekannt?

Wir nutzen vor allem soziale Medien wie Facebook oder Twitter. Wir haben eine starke Community aufgebaut. Das sind nicht nur einfach Kunden. Vielmehr gibt es eine hohe Produktidentifikation. Die Community soll die Möglichkeit haben, Tutanota mitzugestalten. Deshalb ist Tutanota auch Open Source. Damit können technisch versierte Menschen genau überprüfen, was wir da machen. Das ist natürlich eine vertrauensbildende Maßnahme. Aber jeder darf im Prinzip die Software nutzen und mit ihr etwas Neues machen. Unsere Nutzer haben zum Beispiel Tutanota auf freiwilliger Basis in 20 verschiedene Sprachen übersetzt. Das ist enorm.

Haben Sie keine Bauchschmerzen damit, dass jemand eventuell Ihre Software nutzen könnte, um ein eigenes Produkt zu entwickeln?

Nein, sonst hätten wir das auch nicht gemacht. Die Software ist ja auch nur die eine Seite, die andere Seite ist die Infrastruktur und das System dahinter. Das ist schon keine Kleinigkeit.

Schreiben Sie mit Ihrem Projekt schon schwarze Zahlen?

Noch nicht, das ist für Ende dieses Jahres geplant. Die Nutzerzahlen entwickeln sich sehr gut und liegen bereits in einem hohen fünfstelligen Bereich. Der Zugang ist für Privatanwender kostenlos, aber wir planen verschiedene kostenpflichtige Feature, etwa mehr Speicherplatz. Und wir wissen, dass unsere Nutzer dazu bereit sind, für solche Feature auch Geld zu bezahlen.

Was ist die zentrale Erkenntnis, die Sie aus Ihrer Gründung mitnehmen?

Früh Nutzer einbinden und möglichst früh mit einer ersten Version auf den Markt kommen. Es ist besser, ganz klein zu starten – dann lässt sich der eingeschlagene Weg viel leichter korrigieren, als wenn man schon mit einer höher dimensionierten Version auf dem Markt geht.

Herr Möhle, vielen Dank für das Gespräch.

Über den Autor Henning Zander

Henning Zander ist Wirtschaftsjournalist und externer Datenschutzbeauftragter (TÜV). Er arbeitet u.a. für FOCUS-Business, Legal Tribune Online und das Anwaltsblatt. Er ist Autor des Buches Startup für Einsteiger

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